Lesetagebuch “Die Rebellion der Liebenden” (8)

John Berger schreibt einmal über die Hoffnung, ihre reinste Form wohne zuallererst und auf mysteriöse Weise in der Fähigkeit, das Unzumutbare als solches zu bezeichnen und sagt: „Diese Fähigkeit kommt von weit her – aus der Vergangenheit und aus der Zukunft.“

Da ich John Berger sehr verehre, gehe ich erst einmal davon aus, dass er Recht hat, dass das, was dort steht eine wahrheitsgetreue Grundlage hat. Aber ich komme nicht drauf, ich kann es nicht für mich übersetzen. Die reinste Form der Hoffnung besteht im Sehen, im Erkennen vielmehr, welche Ansprüche und Sachverhalte über das hinausgehen, was ich mir, was ich anderen, zumuten kann? Ist das gemeint? Und gleichzeitig treffen sich an diesem Punkt des Erkennens Vergangenheit und Zukunft. Also meine Erfahrungen, das was ich bereits erlebt habe und meine Vision davon, wie es vielleicht weitergehen kann? Und an diesem Punkt der Erkenntnis beginnt die Hoffnung? Vielleicht weil ich durch diese Unterscheidung spüre, an welchem Punkt ich etwas tun und ändern kann? Weil ich auf diese Weise zu einer Art Selbstermächtigung fähig bin?

Und irgendwie ist es gut und richtig, dass dieses Lesetagebuch mit vielen Fragen endet.

4 thoughts on “Lesetagebuch “Die Rebellion der Liebenden” (8)

  1. Ich lese das Zitat irgendwie so: Hoffnung kann in mir nur vorhanden sein, wenn ich das Unzumutbare, wenn es auftaucht, als solches erkenne und dabei trotzdem weiß, dass es noch etwas anderes gibt als dieses Unzumutbare gerade jetzt, nämlich etwas, das weiter reicht, über das Jetzt hinaus, in die Vergangenheit und in die Zukunft. Ein uraltes Wissen in uns. Eine Überlebensfähigkeit. Und das gibt uns Hoffnung.

    Keine Ahnung warum, aber das fühlte ich beim Lesen des Zitats. Es ist einfach meine Interpretation. Und es ist nicht unbedingt das, was ich mir bisher unter Hoffnung vorgestellt habe. Aber eigentlich eine schöne Herangehensweise, Hoffnung als etwas sehr weites zu sehen. Hoffnung überdauert die Zeit, ist vielleicht gar unabhängig von Zeit.

    Deine Interpretation und deine Fragen sprechen von einer anderen Herangehensweise. Und ich denke grad wieder einmal, wie toll und spannend es doch ist, wie unterschiedlich wir etwas lesen und verstehen.

  2. Das Unzumutbare als solches zu bezeichnen, bedeutet, die eigenen Grenzen zu anzuerkennen. Und darin, in der Erkenntnis/Anerkennung der eigenen Begrenztheit liegt eben auch der eigentliche Ursprung der Hoffnung. Denn ohne ein abgestecktes Feld, quasi ein Koordinatensystem, gibt es kein Oben und Unten, kein Gut und Schlecht, kein Vorwärts und Rückwärts, keinen Stillstand und keine Bewegung (man könnte sie nicht erkennen) – also auch keine Hoffnung.

    Liebe Grüße, Andrea
    So verstehe ich das Zitat.

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