Ich lese nach Jahren Anne Carsons „Anthropologie des Wassers“ erneut. Und wieder bleibe ich an diesem Zitat hängen, das Carson einer der Etappen des Jakobsweges voranstellt, über den sie schreibt.
„Seit mein Haus niederbrannte,
habe ich eine bessere Sicht
auf den aufgehenden Mond.“
Masahide
Dieses Zitat haut mich immer wieder um. Anne Carson haut mich immer wieder um. Wie ist es bloß möglich, so intelligent zu sein, frage ich mich dann, und denke gleichzeitig, dass ich einpacken kann, das ich nichts werde schreiben können, das auch nur ansatzweise an sie heranreicht. Das ist nur ein Moment, und er vergeht, weil ich ja im Grunde weiß, dass jede von uns nur das schreiben kann, was eben nur sie schreiben kann und ein Vergleich somit vollkommen überflüssig und unmöglich ist. Trotzdem muss dieser Moment der Unterlegenheit sein. Diese Art von Demut will ich mir bewahren.
Und dann sehe ich aus dem Fenster. Ein Vogel scheint auf einem Blatt des Baumes vor meinem Fenster zu laden. Scheinbar ist er leicht genug, um sich dort halten zu können. Oder das Blatt ist stark genug, um das Gewicht des Vogels austarieren zu können. Weil immer alles zwei Seiten hat, weil ich es so oder so betrachten kann.
Dann spielt die Sonne mit dem Baum, der Schatten und die Sonne, der Wind und die Sonne, die die Schatten wandern lassen. So wie die Schatten in meinem Leben wandern, größer werden und wieder verschwinden, und der Wind, der das veranlasst, ist mein eigener Atem und die Sonne, die dazu notwendig ist, kommt aus meinen Gedanken. Ich bin nur ein Werkzeug, denke ich häufig und dass das entgegen dem ersten Anschein nicht entlastend ist, sondern vielmehr eine Verpflichtung bedeutet, dem was man kann nachzukommen, die Sache, für die ich auf der Welt bin, so gut wie eben möglich zu erledigen. Auch und gerade wenn ich nicht genau weiß, woraus diese Sache besteht, immer mein Bestes zu geben. Und vielleicht hat das alles zu tun mit diesem Zitat von Masahide.
Für mich haben deine Gedanken (die ich soooo sehr nachvollziehen kann!) viel mit dem Zitat zu tun. Sie erhellen es – und nein, ich sage jetzt nicht: wie der Mond. 😉 Wenn man es es über sich (seine Ängste, Wünsche, usw.) hinausschafft dorthin, wo man selbst nicht (mehr) ist, dann wird der Blick / reicht der Blick weiter. – Wofür der Mond steht … das müsste man aus dem Kontext erklären – oder ganz nach den eigenen Assoziationen. Für mich: Ruhe und Klarheit.
Liebe Grüße, Andrea
vielen Dank für deine abermals erhellenden Gedanken!