Tanja Maljartschuk – Gleich geht es weiter, wir atmen nur aus

Ganz sicher ist es nicht nur eine schöne, sondern auch eine überaus nützliche Begabung, von schrecklichen Dingen so erzählen zu können, dass andere zuhören wollen. Tanja Maljartschuk hat dieses Talent. Wenn sie sich in „Erinnerungen an das Sinnliche“ über Hören, Riechen, Schmecken und sehen an ihre Familiengeschichte erinnert und dabei von ihrer Großmutter erzählt, die den stalinistischen Holodomor überlebt hat, klingt das so: „”>Meine Großmutter hat Pilze im Wald gesucht und geschworen, als es noch kalt war, einen seltenen Pilz gefunden zu haben, der Judasohr heißt und einem menschlichen Ohr sehr ähnlich sieht. Der Wald war voll von diesen Pilzen, sagte sie, der Wald wollte genau hinhören, was gerade geschah. Und es geschah eine unglaubliche Stille allerorts, weil alles, was singen, krähen, miauen oder bellen konnte, längst gegessen worden war. Gott versteckte sich auch, und zu Recht, sagte meine Großmutter. Seitdem habe sie ihn nicht mehr gesehen.“

Und dann diese traurige Geschichte von den Idealisten, die nach Lösungen suchen und mit ihren Idealen weitesgehend allein bleiben, in dem vielleicht längsten Essay in diesem Band „Ukraina Stelo oder: Die Zukunft verwischt alle Spuren“ schreibt Maljartschuk die gleichzeitig desillusionierende wie inspirierende Geschichte von Lejzer Zamenhof, dem Erfinder der Kunstsprache Esperanto.

Sicher hätte diese Sammlung von Essays eine viel gründlichere Besprechung verdient, mehr als diese Gedankenfetzen, die ich hier festgehalten habe, aber ich fühle mich nicht dazu in der Lage. Ich bleibe stehen an dem Punkt, irgendwie immer noch nicht wahrhaben zu wollen, dass der Krieg in der Ukraine in wenigen Tagen bereits ein volles Jahr dauert und unvorstellbar viel Leid gebracht hat, dass immer noch keine Aussicht auf ein Ende irgendwo an einem irgendwie gearteten Horizont erscheint, dass immer neue Katastrophen geschehen und die kleinen positiven Berichte, die es ja auch immer wieder gibt, darin untergehen, untergehen müssen.

1 Gedanke zu „Tanja Maljartschuk – Gleich geht es weiter, wir atmen nur aus

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