Laufen – Isabel Bogdan

Weglaufen. Vor den eigenen Gefühlen, vor dem, was man einfach nicht ertragen kann. Verstehen schon gar nicht. Oder bewältigen. Es ist schwer und schlimm einen Menschen zu verlieren, einen Menschen dadurch zu verlieren, dass er sich selbst das Leben genommen hat, ist noch einmal etwas anderes. Zu all der Trauer und Wut kommen die Selbstvorwürfe, ich hätte doch etwas merken müssen, vielleicht lag es an mir, jedenfalls hätte ich doch da sein müssen, um zu verhindern, dass das passiert. Diese Gedanken liegen wie Splitter zusätzlich zu der ganz normalen und sowieso schon schwer auszuhaltenden Trauer im Kopf und in den Gliedern und schwären und tun weh und entzünden die Wunde immer wieder aufs Neue.

Im Roman „Laufen“ rennt die Protagonistin vor diesen Gefühlen weg und langsam, Seite um Seite auf sich selbst zu. Einatmen und doppelt solange ausatmen. Das funktioniert auch als Bild für den „Heilungsprozess“, sich erinnern, in den Schmerz hineingehen, aber dann doppelt so lange, nicht so schnell, dass man gleich wieder aufgeben muss oder Seitenstiche bekommt, sondern ganz langsam, Stück für Stück, aus dem Schmerz hinauswachsen, die Wunde vernarben lassen. Nichts vergessen, aber lernen mit dem Schmerz zu leben und die Freude wieder zuzulassen und das eigene Leben, von dem auf so schmerzhafte und grausame Weise ein wesentliches Stück auf einmal herausgerissen wurde. Zeit online hat das Buch ein rasendes Requiem genannt. Und besser kann man das wirklich nicht ausdrücken.

Kommentar verfassen