„Wir sollten mehr über das Schreiben sprechen, über die Kraft, die darin liegen kann. Finde ich“, schreibt Kathrin Bach auf Facebook. Und holt mich damit ab, an dem Punkt an dem ich so ungut seit Tagen klebe. Dieser Punkt den ich gerade so umgehe, dass er nicht zu einem Loch wird, mich nicht noch tiefer sinken lässt, dessen Anziehungskraft andererseits so groß ist, dass ich scheinbar unfähig bin, einen Schritt weiter zu gehen, in Bewegung zu bleiben. Dabei ist es so wichtig in Bewegung zu bleiben, auch wenn ab und an ein Schritt mehr zurück als nach vorn führt, weil wir nur so unsere eigene Mitte wahren können, nur indem wir in Bewegung bleiben, alles immer wieder neu austarieren, wie ich mit einer Freundin kürzlich noch einmal im Gespräch manifestieren konnte. Es sind ja nicht die großen Neuigkeiten, die einer helfen, wenn sie feststeckt, sondern häufig einfach nur die Erinnerung an das, was man eigentlich weiß, aber leider immer wieder vergisst.
Ich lese immer noch „Die Projektoren“ und das ist nicht immer ein Vergnügen, nicht weil Meyer nicht schreiben kann, oder irgendetwas nicht gut macht, sondern vielmehr weil er vieles so bedrückend gut macht. Das Kapitel mit den Neonazis, die später auch im Balkan mitkämpfen, ist mitunter nicht leicht auszuhalten, weil Meyer es sich gerade nicht leicht macht, er zeichnet keine Figuren, die nur verblendet und schlecht sind, er bedient sich einiger Klischees, aber nie ohne sie aufzubrechen, die Jungs, die da auf „fremden Pfaden“ unterwegs sind, sind grausam und kindlich zugleich, verloren und verblendet. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie viel schreckliche Dinge man gelesen und recherchiert haben muss, bevor man darüber schreiben kann. Ich stelle mir dieses Schreiben als eins vor, dass eher Kraft kostet als Kraft schenkt.
Bei Gedichten, denke ich gerade, ist es anders. Selbst die wirklich sehr bedrückenden Gedichte von Mary Jo Bang (Elegie) oder David Grossmann (Aus der Zeit fallen) anlässlich des Todes ihrer Kinder haben etwas, das mich tröstet, das mich spüren lässt welche Kraft in der Sprache liegt, in der Form. Während ich bei Meyer nur ehrfurchtsvoll staune, wie komplex und eindringlich er Zusammenhänge schildert, wie er Bilder findet und Fäden treu bleibt, obwohl er ständig abschweift.
Fallhöhen. Schwarze Löcher an deren Rand man balanciert, austarieren und die Frage was zählt?
Die Projektoren: Ich lese deine Eindrücke sehr gern, weil sie wie so oft in deinen Beiträgen etwas verdichtet ins Bild bringen. ich hatte mich immer gefragt, was mich an der Neonaziszene gestört hat, nicht erheblich, aber vorhanden.
Das Grauen wird sehr dicht, obwohl er die Protagonisten plakativ aufstellt – zunächst. Das Klischeehafte habe ich erst durch Lesen deines Leseeindruckes ins Bild bekommen. Hier der kognitiv eingeschränkte Looser und der kluge, smarte Neonazi, der glaubt dass das Recht des Stärkeren das allein Geltende ist. Dann bricht er es auf. “Grausam und kindlich zugleich.”
Clemens Meyer sagte irgendwo, das Buch habe ihn alle seine Kraft gekostet. ( im Sinne von selbstzerstörerischer Kraft.
Danke für den Link zu den Autoren. Es führt mich ( ohne sie gelesen zu haben) zu Krien und der damals beim Lesen aufkommenden Frage, darf man über so ein Thema schreiben, wenn man es nicht selbst erlebt hat? Und noch jetzt denke ich: Nein.
Aber dann lese ich Clemens Meyer und denke: Ja.
Und ich mag sehr deine Zweifel, dein In-Frage-stellen, das öffnet auch mir häufig den Blick.
” Kognitiv eingeschränkter Looser” sollte es heißen, die Looser sind die, die ihre Menschlichkeit verloren haben.