Dinge zurechtrücken

Der Nachbar von gegenüber verstaut Koffer in seinem Auto. Es ist noch dämmrig, es regnet. Ich trinke einen Kaffee, bevor der Zahnarzt mir mitteilen wird, dass jetzt auch der spiegelgleiche Zahn auf der anderen Seite einen deutlichen Riss hat. Offenbar habe ich zu lange die Zähne zusammengebissen. Ein, zwei Stunden später strahlt die Sonne von einem wolkenlos blauen Himmel.

Ich habe mir vor einigen Tagen „Dinge zurechtrücken“, eine Sammlung von Interviews mit Joan Didion ausgeliehen. Das Buch tut mir gut. Didions Antworten tun mir gut. Ihre Gabe messerscharf zu formulieren. Dort hinzusehen, wo es weh tut.

Ich mache weiter, aber ich komme nicht voran.

Wie denkt man schreibend nach? Vermutlich genau so: indem man ein Bild beschreibt, aus dem man nach und nach alle Einzelheiten entfernt.

Abends lese ich Foucault, morgens bin ich enttäuscht, dass ich meine Träume schon wieder vergessen habe.

Heute hat die Bibliothek das vorbestellte Exemplar von Clemens Meyers Projektoren endlich vorrätig.

6 thoughts on “Dinge zurechtrücken

  1. Hast du schon mit : ” Die Projektoren” begonnen?
    ich würde es gern noch einmal lesen. c.Meyer hat ja in dem Interview mit der FAZ den roten Faden sich chrbar gemacht. und ich würde es gern noch mal durch ( Hyperfokussierung:)
    im übrigen kann eben ich es , wie es dir immer wieder gelingt Dinge poetisch auf den Punkt zu bringen. Manchmal hätte ich gern Ritalin:)

    1. Leider sind sowohl der Artikel, als auch der Podcast hinter einer Bezahlschranke. Schade. Die sehr einseitige Debatte im Netz über Meyers “Fehlverhalten” ermüdet mich. Aber es ist eben einfacher sich auf der vermeintlich richtigen Seite zu positionieren, indem man seinen Enttäuschungsausbruch sanktioniert, als sich wirklich über Literatur und die Kriterien der Preisvergabe auseinander zu setzen.
      Ich finde das Buch sehr gut, habe die ersten 100 Seiten gelesen.

  2. Mich überrascht dieser moralinsaure Ton im Netz auch. Aber warum eigentlich?
    Und in diese geglättete, spiegelblanke Debattenkultur, in der man vor lauter Fettnäpfchen umrunden nur noch den Blick auf seine Füße richten kann, stürmt Meyer und randaliert. ich komme nicht umhin, das als erfrischend zu empfinden. Manchmal das Bild, das vor meinem Inneren auftaucht und auch jemand irgendwo im Netz kreierte: Meyer hält ein Stöckchen hin. Es gibt einige ( leider wenige) gute Beiträge zu diesem Thema: Berliner Zeitung ist glaube ich ohne Bezahlschranke.
    Da kommt so etwas wie eine echte Debatte zustande.
    ich hätte gern mitgelesen, aber es wartet eine Zehnstundenschicht auf mich. Für heute morgen muss die Lyrik von Hilbig genügen. ich bin gespannt auf das, was du über dein Lesen der Projektoren schreiben wirst.

  3. Ich befürchte, ich kann mit den `Projektoren´ leider nicht viel anfangen, obwohl die Sprache natürlich toll ist. Meyers Ausbruch finde ich dagegen klasse, weil es heute kaum noch authentisches Verhalten gibt, in den Medien sowieso nicht. Alle sollen rein und fair und tolerant sein, aber natürlich nur gegenüber den Meinungen, die in einem immer enger werdenen Diskurs als akzeptabel gelten. Da reicht schon die nicht verdammende Erwähnung gewisser Namen, z.B. Mausfeld oder Ganser oder Guérot und raus bist du. Schon ein hingehauchter Kontakt zu den falschen Leuten gilt als Sünde, aber wir dürfen natürlich alles sagen. Gruselige Zeiten sind das, hoffentlich wird´s wieder besser!

    1. Ja, die Fähigkeit zu einer irgendwie konstruktiven oder wenigstens aufrichtigen und gleichzeitig respektvollen Auseinandersetzung scheint kaum noch vorhanden. Man muss aufpassen, das nicht vollends zu verlernen.

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