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Am 10. März um drei Minuten nach 10 Uhr gestehe ich mir ein, dass ich meine Freiheit aus den Augen verloren habe. Das ist ein guter Satz. Aber es ist eine Lüge. Ich habe meine Freiheit gerade erst ins Auge genommen als ich angeblich feststelle sie verloren zu haben. All die Jahre zuvor hatte ich sie wirklich verloren. Weil ich es nicht begriff. Weil ich mich einfach einschränkte, wo sonst niemand mich einschränkte. Weil ich eine Gefangene war, die ihre Gitter selbst in Beton gegossen hatte. Niemand anderes als ich hatte eine Ermächtigung zu meiner Gefangennahme erteilt. Die hatte ich getan. Nahezu ohne Einschränkungen und ohne mir auch nur Gedanken darüber zu machen. Das ist ein Text. Das ist auch ein Stück Wahrheit. Es ist der 10. März. Die Knospen des Magnolienbaums öffnen sich jeden Tag ein wenig weiter, wenn man genau hinsieht. Bei den Knospen des Magnolienbaums ist es einfach genau hinzusehen.

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