Kein Wochenrückblick

Während scheinbar nichts geschieht, ordnen sich die Dinge, habe ich am dritten Tag auf Fuerteventura geschrieben. Ein bisschen wusste ich, dass ich lüge, aber ein bisschen habe ich es auch so gespürt. Es schien als würde mein gesamtes System herunterfahren, von der alltäglichen Hektik in eine tiefe Entspannung übergehen. Plötzlich schienen da, wo sonst nur heillose Überforderung war, wieder Möglichkeiten zu sein.

Und dann war da noch die Sache mit der Wohnung, richtiger Doppelhaushälfte, die wir uns noch am Tag vor dem Abflug angesehen hatten. Drei Zimmer, Küche, Bad mit Terrasse und Balkon in einer Sackgasse einer alten Arbeitersiedlung. Blick auf einen wunderschönen Magnolienbaum. Selbst jetzt im Herbst war der Baum wunderschön. Ich habe mich sofort in ihn verliebt. Und uns beiden war klar: das ist genau die Wohnung, die wir gesucht haben. Aber dann „mussten“ wir in den Urlaub fliegen. Am Montag der Anruf bei der Wohnungsbaugenossenschaft, die die Wohnung angeboten hat. Erst hatte ich wirkliche Befürchtungen, dass es doch nichts wird, dann habe ich mich wirklich gefreut, dass wir noch im Urlaub einen Vorvertrag machen konnten und jetzt habe ich Angst. Ich wäre so gerne eindeutiger. Ich wäre so gerne durchschaubarer. Wenigstens für mich selbst. Seit 45 Jahren, sagt Dincer in seinem Interview mit Jagoda, arbeite ich an mir, denn nur wer sich selbst kennt, die eigenen Abgründe, kann andere verstehen, mit ihren Ängsten annehmen, statt sie zu verurteilen.

Nach dem Interview verstehe ich was mir fehlt: ein Traum.

Heute habe ich mit Menschen geredet, die sich immer mehr in ihre Wut, in ihre Verletzung hineinsteigerten, weil der Partner sie verlassen, betrogen, nie gesehen hatte. Die scheinbar unfähig waren, ihren eigenen Anteil an allem zu erkennen, die vor allem nicht zugänglich waren dafür, dass nur sie selbst ihre Situation verbessern und den Schmerz lindern können. Ich höre und sehe ihren Schmerz, aber es gelingt mir nicht sie damit zu konfrontieren, dass es niemandem nützt wenn sie stecken bleiben in Vorwürfen und Schuldzuweisungen.

Ich lese das so gerne, wenn andere einen Wochenrückblick schreiben, aber ich kann es nicht. Es gibt zu vieles, was ich zensieren müsste und überhaupt, es ist gerade nicht das, was stimmig ist für das, was ist.

4 Gedanken zu „Kein Wochenrückblick

  1. Wie schön, dass ihr eure Traumwohnung bekommen habt und um den Magnolienbaum beneide ich euch.
    Jetzt werde ich den Tag mit Jagoda Und. Dincer ausklingen lassen. Vielen Dank für den Tipp.

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