Die Konzentration auf den Weg legen. Darauf vertrauen, dass Antworten sich einstellen werden. (schreibt Xeniana) Ein Satz der so einfach klingt. So einleuchtend. Und das ist er ja auch. Und gleichzeitig ist es dieser Satz, den ich immer wieder vergesse. Mich aufs Navi verlasse, wie in Xenians Geschichte, also anderen folge. Anderen glaube, sie wüssten besser als ich, wer ich bin, welches mein Weg ist. Damit ich die Verantwortung abgeben kann, das ist im ersten Moment ja auch herrlich entlastend. Nicht mehr für alles verantwortlich zu sein. Sich treiben zu lassen, vertrauen zu dürfen. Aber dann stehe ich plötzlich da an einer Gabelung und merke überdeutlich, dass ich meinen Weg verlassen habe, dass ich auf Nebengleisen unterwegs bin, und muss mich fragen, ob ich nun also diesen unbekannten Weg einschlagen will, ob ich ihn zu meinem Weg machen kann. Ob ich den Mut habe, so weit von Zuhause, vom ureigenen Weg etwas auszuprobieren, zu riskieren, dass ich mich verirre. Oder ob ich zurückkehre zu meinem Weg, der ja auch niemals gradlinig ist, der immer wieder Entscheidungen erfordert, links oder rechts abbiegen, oder doch weiter geradeaus? Viele Schriftsteller haben ja mit diesem Topos gespielt, zuletzt Saša Stanišić in diesem Roman mit dem sehr langen Titel und davor z.B. Paul Auster mit 4 3 2 1. Hätte ich mich an einer entscheidenden Stelle der Vergangenheit anders entschieden, wäre mein Leben anders verlaufen. Manchmal glaube ich, ich habe zu viele falsche Entscheidungen getroffen. In Wirklichkeit kann aber, glaube ich, keine Entscheidung, die man wirklich selbst trifft, falsch sein. Falsch sind höchstens die Entscheidungen, die man eben nicht trifft. Wenn man glaubt, alles laufen lassen zu müssen, und die Entscheidungen anderen oder einer abstrakten Größe wie dem Schicksal überlässt. Wenn ich mich nicht auf den eigenen Weg konzentriere und vor allem, wenn ich das Vertrauen verliere, dass die Antworten sich einstellen werden, wenn ich mich den Fragen wirklich stelle.
Dieser Gedanke zu den Entscheidungen trifft es sehr gut. Durch das Entscheidungen treffen, werden wir ja auch zu selbstständigeren Wesen. Zum Thema fällt mir auch der Grund ein, wieso ich – und viele andere sicher auch – lieber Auto als Bahn fahren. Weil ich da immer noch die Möglichkeit habe, mich zu entscheiden, ob ich in den Stau auf der Autobahn oder auf der Ausweichstrecke fahre. Selbst, wenn ich die „falsche“ Entscheidung treffe und am Ende länger im Stau verbringe, ertrage ich das eher als rettungslos der Bahn ausgeliefert zu sein, die mich nur unzureichend und ausweichend über die fast schon permanenten Verspätungen oder Komplettausfälle informiert. Selbst entscheiden zu dürfen, ist ein Privileg, das ich nicht hergeben möchte.
Ich glaube ja, dass man dieser Frage die Schärfe nehmen kann, wenn man Vertrauen darauf hat, dass man sich jederzeit entscheiden kann – also dass man seiner Veränderungskraft vertraut. Dass man sich zutraut, die vielen anderen Weggabelungen, Abzweigungen, Kreuzungen, Trampelpfade und Schleichwege … sehen und sich auch dafür entscheiden zu können, wenn es passt. Es sind die vielen kleinen Entscheidungen / Veränderungen (auch in einem selbst, nicht nur im Außen), die letztlich das Leben bestimmen. Eher selten geht es um EINE Entscheidung, die das ganze restliche Leben auf nicht mehr änderbare Weise vor-bestimmt.
Liebe Grüße,
Andrea