Es ist erschreckend einfach eine Lüge niederzuschreiben. Eine Lüge, die auch einen Teil Wahrheit enthält. Eine Lüge, zu der die Menschen nicken, obwohl sie erkennen müssten, dass es sich um die Unwahrheit handelt. Eine Unwahrheit, die sie gutheißen, oder jedenfalls tolerieren, vielleicht nicht einmal bemerken, dass es sich um eine Lüge handelt, dass der weitaus größere Anteil des Satzes aus einer Lüge besteht, und damit den kleinen Anteil, der auch enthaltenen Wahrheit obsolet macht, zu dem sie so eifrig genickt haben. Eifrig und vorschnell. Oder gleichgültig.
Ich bin mit einer Lüge groß geworden. Ich bin aufgezogen worden mit Lügen. Mein gesamtes Kinderleben beruhte auf einer Lüge. Einer Lüge, die ständig weitere Lügen nach sich zog, ein Verstricktsein in Halb- und Unwahrheiten. Die einen Teil Wahrheit enthielten. Immer.
Vielleicht könnte ich behaupten, mein Ursprung sei eine Lüge. Meine Heimat die Unwahrheit. Hier konnte ich heranwachsen, in einer ständig gefährdeten Geborgenheit. Man baute Lügengebäude für mich und ich bewegte mich ganz arglos darin, bis ich aufmerksam wurde auf die fragile Raumarchitektur. Bis ich hellhörig wurde, und anfing Schlüsse zu ziehen. Als wäre die Wahrheit immer etwas nachträgliches, etwas das erst aufgedeckt werden muss. Während sich die Lüge ungeniert und unbeschwert ausbreitet und fortpflanzt. Und jeder Nachkomme sieht der Wahrheit zum Verwechseln ähnlich.
@muetzenfalterin Danke für diesen besonderen Text.
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Vielleicht sind wir alle nur Lügen* und zwischen Lügenmauern groß geworden. Da hast du mir mal wieder Denkfutter gegeben.
*Wieder spiele ich in Gedanken von nicht im Text erwähnten Dimensionen.
„Als wäre die Wahrheit immer etwas nachträgliches, etwas das erst aufgedeckt werden muss.“ Genau das, ganz bestimmt.