Juan Andrés García Román, in Granada geboren, lehrte eine Zeitlang als Professor für Spanisch an der RWTH Aachen.
Auch er kennt diese innere Stimme, von der Gragera gesprochen hat, empfindet das Dichten aber vor allem als etwas, das ihm von außen zuteil wird, als Geschenk. Grundlegend ist für ihn die Veränderung. Dabei bezieht er sich auf Brecht und Adorno und ihre Aussagen darüber, wie nach Auschwitz Dichtung überhaupt noch möglich sein kann. Es ist diese Frage, die García Román antreibt: wie kann ich heute in dieser Welt dichten?
Mit dem Gedicht „Imperativ Perfekt“ hat er versucht eine eigene Zeitform, die Befehlsform der Vergangenheit zu finden. Dieses Gedicht darf er im spanischen Original komplett lesen, die deutsche Übersetzung, vorgetragen von Sylvia Wempner, wird jedoch auf einen kleinen Ausschnitt beschränkt, weil man sich entschieden habe, dass das Gedicht nicht verständlich sei.
Die Sprache hat eine Beziehung zur Zeit, sagt Román, zu Gegenwart und Vergangenheit, und dieses Gedicht sei Metapoesie, weil es etwas aussagt über seine Art zu dichten. Die Dichtung sieht Juan Andrés García Román als ein Wort in der Zeit. Die Zeitdimension ist in die Sprache eingeschrieben, da leitet ihn auch Benjamin mit seinem Begriff der Jetztzeit, eine Zeit, die aus der Zeit hinausführt und gleichzeitig das Tote, das Vergangene wieder zurück bringen kann ins Leben durch die Poesie. Román denkt dabei u.a. auch an Orpheus. Er sieht sich selbst als eine Art Orpheus. Ein Gedicht zu machen sei eine Inbesitznahme, eine Erfahrung. Diese Ungeheuerlichkeit der Vergangenheit, wie sie ja tatsächlich, jede:r von uns kennt, wenn das Vergangene Besitz ergreift von uns und unserem Denken, beschäftigt Román und war Anlass dieses Gedicht zu schreiben.
Hildegard E. Keller, eine sehr vielseitige Künstlerin, ist an diesem Abend ausschließlich in ihrer Rolle als Patin für Alfonsina Storni in der Auferstehungskirche.
Denn ihr ist es zu verdanken, dass diese ungewöhnliche Frau, die im Alter von vier Jahren mit ihren Eltern aus der Schweiz nach Argentinien auswanderte, wo sie längst eine Ikone ist, nun endlich auch in Deutschland bekannt wird. Hildegard Keller hat Gedichte, Briefe, Theaterstücke und andere Dokumente von ihr gesichtet, übersetzt und verlegt.
Die Familie von Alfonsina war wohlhabend, Alfonsina selbst wiederum wurde Aktivistin. 1892 geboren, wurde ihr schon früh bewusst, dass die Verhältnisse uns bestimmen. Es ist nicht das biologische Geschlecht, das uns bestimmt. Ihre Hoffnung lag auf dem neuen Jahrhundert, dem 20. Jahrhundert. Keller lernte Alfonsina durch ein Lied kennen. Alfonsina y el mar. Daraufhin folgte eine langsame und langanhaltende Erkundung, ein Kennenlernen Alfonsinas. Storni war eine ungewöhnlich vielseitige Frau, sie unterrichtete, war Journalistin, schrieb Theaterstücke, förderte andere Frauen und schrieb Gedichte. Das alles ab 1919 als alleinerziehende Mutter. Während ihrer Beschäftigung mit Alfonsina entdeckte Keller auch Dokumente, die auf Spanisch noch gar nicht verlegt sind.
Der Gedichtband aus dem Keller an diesem Abend zweisprachig, zunächst im Original und dann in der deutschen Übersetzung, lesen wird, trägt den Titel „Ultra-Fantasía“. Es sind allesamt starke Gedichte. Eine Biografie über diese große Frau, sagt Keller, sei sie noch schuldig. Aber die käme noch.
Zwei Tage vor ihrem Freitod, Alfonsina Storni war schwer an Krebs erkrankt, schrieb sie ein Abschiedsgedicht. „Voy a dormir“. Sie schickte es an eine große argentinische Zeitung, so dass der Fund ihrer Leiche, der erste Nachruf und ihr Gedicht zur selben Zeit erfolgten. Und vielleicht von der Ankunft in dieser anderen möglichen Welt erzählten.